Für ein Seminar an der Uni habe ich einen Blogeintrag zu dem Thema Fotojournalismus geschrieben. Das ist mal bisschen was anderes und eher wissenschaftlich, aber ich dachte ich veröffentliche das trotzdem mal hier:

Im Journalismus spielen besonders die Bilder eine wichtige Rolle, denn sie implizieren Wahrheitsgehalt. Das lässt sich mit Dubois belegen: „Es herrscht so etwas wie eine grundsätzliche Übereinstimmung darüber, dass das fotografische Dokument die Welt getreu wiedergibt. [Das] beruht auf dem Wissen vom sogenannten Automatismus seiner technischen Genese.“ Deshalb werde ich die Entwicklung des Fotojournalismus im digitalen und vernetzten Zeitalter analysieren. Hierbei spielt der citizen journalism eine zentrale Rolle. Damit geht die Frage einher: sorgt das Internet für mehr Demokratie und Gleichheit?

Der Digitalisierungsprozess des Fotojournalismus begann Ende der 1980iger Jahre als die ersten Digitalkameras auf den Markt kamen. Diese wurden zunächst nur von professionellen Fotografen benutzt, da die Technik sehr teuer war. Die digital erzeugten Bilder konnten schneller be- und verarbeitet werden. 1990 erweiterte das Internet die bisherigen Datenbanken, was die Verbreitung erleichterte. Anfang des 21. Jahrhunderts kam es dann zu einem zweiten Digitalisierungsschub, da die Technik nun auch für Privatpersonen erschwinglich wurde (vgl. Grittmann 2008: 19 ff).Das Aufkommen des Smartphones intensivierte diese Entwicklung. Im Februar 2015 besaßen ungefähr 45,6 Millionen Deutsche ein Smartphone und es wird erwartet, dass diese Zahl steigt. Aufgrund dieser  Verbreitung haben viele Menschen die Möglichkeit günstig, einfach und schnell Fotos zu machen. Denn die meisten haben ihr Handy immer dabei und können sofort Fotos oder Videos von interessanten Ereignissen machen. So ist das Phänomen des Citizen Journalism entstanden.

In seinem Aufsatz Videotech beschreibt John Fiske ausgehend vom Rodney King Video eine der ersten Formen des Bürgerjournalimus. Dieses Amateurvideo zeigt, wie der Afroamerikaner Rodney King 1991 brutal von Polizisten geschlagen getreten und schließlich verhaftet wird Rodney King Video. Aufgrund des Videos mussten sich die Polizeibeamten vor Gericht verantworten. Laut Fiske markiert dieses Video einen Umbruch. Dieser besteht darin, dass sich nun die Bürger gegen Staatsgewalt und einseitige Berichterstattung der Medien mit ihrer Kamera wehren können (vgl. Fiske 1998: S. 153). Seitdem gab es weitere Vorfälle, bei denen ein Camcordervideo als Beweismaterial angeführt wurde. Daraus entwickelten sich sogenannte videoguerillas oder videoactivists, die ihre Kameras nutzten um soziale Kritik zu üben. Diese Aktivisten überwachten sowohl die Polizei als auch Fernsehteams. Während des Golf Krieges zum Beispiel wich die Berichterstattung der Massenmedien wenig von der Meinung der Regierung ab und es gab kaum kritisches Material. Also rief eine Organisation von Videoaktivisten dazu auf, unabhängige Informationen einzuschicken. Daraufhin sendeten Bürger hunderte von Kassetten mit regierungskritischem Material ein. Fiske kommt zu dem Schluss, dass die kleinen und handlichen Camcorder eine ideale Waffe sind, um die Polizei und die klassischen Massenmedien zu überwachen (vgl. ebd.: S.159 ff.).
Das lässt sich sehr gut auf das noch handlichere Smartphone mit seiner integrierten Kamera übertragen. Hinzu kommt, dass heutzutage (ca. 25 Jahre später) das Foto und Video Material sehr viel schneller verbreitet werden kann und eine größere Reichweite hat.

Citizen Journalism zeichnet sich also dadurch aus, dass quasi jeder als Fotojournalist agieren kann. Das sorgt für Demokratisierung. Dieses Argument lässt sich aus Habermas’ Begriff der deliberitären Demokratie ableiten. Demnach ist der öffentliche Diskurs Voraussetzung für die Demokratie und das Internet bietet neuen Raum dafür.
Außerdem werden etablierte Medieninstitute geschwächt. Das lässt sich wieder mit Habermas belegen: „Die Nutzung des Internet hat die Kommunikationszusammenhänge zugleich erweitert und fragmentiert. Deshalb übt das Internet (…) eine subversive Wirkung auf autoritäre Öffentlichkeitsregime aus“ (Habermas 2005).

Die Hoffnung auf mehr politische Partizipation, die mit dem Aufkommen des Internet einherging, ist jedoch inzwischen ein wenig abgeflaut. Es gibt zwar mehr Platz für Diskurse durch das Internet, allerdings sind diese selten politisch relevant (vgl. Lovink 2012: S. 10). Außerdem sorgen zum Beispiel die Personalisierungsalgorithmen (anhand von Verlauf und Standort) von Google, dass wir in einer filter bubble surfen. Das Problem ist, dass diese Individualisierung nicht von dem Benutzer, sondern vom Medium selber aus geht (vgl. Esposito 2013: S. 239). So entsteht eine Informationsungleichheit.

Was passiert mit den bereits etablierten Medienunternehmen?
Darauf könnte man ganz einfach mit Lovink antworten: „Heute ist das Fernsehen zu langsam, und so greifen die Nachrichten bei sekundenaktuellen Informationen auf Twitter zurück“ ( Lovink 2012: S.21). Die traditionellen Nachrichten verschwinden also nicht, sondern verlagern sich immer mehr ins Internet (vgl. Esposito 2013: S. 241).

Zudem arbeiten viele etablierte Medieninstitutionen mit Amateur-Journalisten zusammen. Das war zum Beispiel bei den London Bombings 2005 der Fall. Am Tag der Ereignisse gingen bei der BBC nach eigenen Angaben 300 Fotos von Privatleuten ein.

Underground

Quelle: BBC

Seit 2006 griffen deutsche Printmedien wie die Saarbrücker Zeitung oder die Bild diesen Trend auf und forderten ihre Leser auf, eigene Bilder einzuschicken (vgl. Grittmann).

Abschließend möchte ich auf die Rolle des Fotos im Internet eingehen. Denn das Bild ist im Internet nicht nur aufgrund seines Wahrheitsgehalts besonders wichtig, sondern auch, weil es besonders schnell wirkt. Das ist essentiell, denn das Internet ist von Schnelligkeit geprägt (vgl. Herzau 2012).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Internet nicht zu so viel mehr  Demokratie und Gleichheit geführt hat, als zu Beginn erhofft. Dennoch eröffnet das Internet neue Partizipationsmöglichkeiten, die sowohl für die Bürger als auch auf für die Institutionen neue Chancen bieten. Dem Foto kommt in dieser Entwicklung eine besondere Rolle zu, die sich aus impliziertem Wahrheitsgehalt und seiner schnellen Wirkung zusammensetzt.

Falls euch solche Texte interessieren verlinke ich euch hier den Link zu dem Blog von unserem Seminar: Vernetzte Bildmedien. Dort werde im Laufe der nächsten Wochen noch mehr Beiträge zum Thema Fotografie und Digitalisierung hochgeladen.